Keine Frage, es gibt Aufgaben und Situationen, da wünschen wir uns Perfektionisten am Werk. Menschen mit 100 Prozent Aufgabenerfüllung. Bei einer Operation beispielsweise, möchte ich als Patient sicher sein, dass das OP-Besteck wirklich steril ist. Keinesfalls möchte ich nach einer Operation Probleme mit Infektionen bekommen. Auch als Fluggast will ich darauf vertrauen können, dass die Software an Bord zuverlässig funktioniert und kein zusätzliches Risiko darstellt. Hier wünsche ich mir Perfektionistinnen und Perfektionisten am Werk, die das OP-Besteck mit einer sehr großen Gewissenhaftigkeit reinigen und Softwareentwickler und Programmierer, die zu 100 Prozent konzentriert bei der Sache sind. Das Gleiche gilt für alle, die das Thema Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung verantworten.

Dennoch sind die 100 Prozent nicht in jeder Situation und nicht bei jeder Aufgabe das Maß aller Dinge. In der Realität scheitert Perfektionismus oftmals am Zeitdruck und es sind Abstriche erforderlich, um mit Aufgaben und in komplexen Situationen voranzukommen. Gerade im Umgang mit dem Einsatz von Zeit kann das Pareto-Prinzip, trotz vorhandener Kritikpunkte, mit seiner 80/20-Regel eine gute Orientierung bieten. Mit 20% der (richtig)  eingesetzten Zeit lassen sich 80% der Aufgaben erledigen. 

Persönlichkeitsmerkmale von Perfektionisten

Menschen mit einem ausgeprägten Hang zur Perfektion sind hinsichtlich ihrer Persönlichkeitstendenz auf der Dauer-Wechsel-Achse des Riemann-Thomann-Modells deutlich im oberen Dauer-Bereich zu finden. Der Wert „Gewissenhaftigkeit“ ist bei ihnen stark ausgeprägt. Ängstlichkeit, soziale Befangenheit und Verletztheit können hinzukommen.

Perfektionisten können einfach nicht nachlassen, bevor die 100 Prozent erreicht sind, selbst wenn 80 Prozent für eine Aufgabe und für die Lösung einer Situation ausreichend und angemessen wären. Perfektionismus ist eine Abwehrstrategie, um die mit Tadel und Beurteilungen einhergehende Scham zu vermeiden und es steckt die Sucht nach Bestätigung dahinter, wie Roland Kopp-Wichmann in seinem Persönlichkeitsblog erläutert.

Perfektionismus: ein Risiko für die eigene Gesundheit

Perfektionistische Menschen kämpfen häufig mit Terminschwierigkeiten, weil für die Erreichung eines 100%igen Ergebnisses sehr viel Zeit benötigt wird. Daher sind die Überstundenkonten von Perfektionisten oftmals prall gefüllt. Ihr ständiger Zeitdruck führt auf die Dauer zu Überforderung, Erschöpfung, Unzufriedenheit und kann sie sogar krank machen.

Hemmungen bei öffentlichen Auftritten kommen häufig bei ihnen vor. Die eigene Versagensangst und eine hohe Anspannung erzeugen hier einen zusätzlichen Druck

Ungelöste Konflikte sind auf Dauer alles andere als gesundheitsfördernd. Bei perfektionistischen Menschen besteht ein hohes Konfliktpotenzial mit Kolleginnen und Kollegen, wenn deren Anspruchsniveau in Punkto Ordnung und Exaktheit dem Anspruch an Perfektion nicht gerecht wird.

Handlungsmöglichkeiten für Führungskräfte

Als Führungskraft sollten Sie vermitteln, wann eine 100%ige Aufgabenerfüllung erforderlich ist und bei welchen Aufgaben diese kontraproduktiv sein kann. Diese Unterscheidung ist für perfektionistische Menschen ein wichtiger Lernschritt, da er sie vor einer dauerhaften Überforderung bewahren kann.

Zwischen den Punkten „Termintreue“ und „Perfektion“ besteht oftmals ein Spannungsverhältnis. Verdeutlichen Sie hier, wann Termintreue wesentlich ist und wann ein perfektes Arbeitsergebnis. Damit helfen Sie Ihren Mitarbeitenden Prioritäten angemessen zu setzen.

Wichtig ist auch, dass Sie als Führungskraft an den Stellen, wo Sie Perfektion erwarten auch erforderliche zeitliche und materielle Ressourcen bereitstellen. So beugen Sie der Überforderung Ihrer Mitarbeitenden vor.

Reduzieren Sie nach Möglichkeit das Konfliktpotenzial zwischen den Mitarbeitenden, indem Sie Arbeiten so verteilen, dass Menschen nicht eng zusammenarbeiten müssen, die kaum eine Gemeinsamkeit hinsichtlich ihres Anspruchsniveaus und kein Verständnis füreinander haben. In einer solchen Konstellation kommt es oftmals zu zermürbenden Konflikten, die der Aufgabenerledigung abträglich sind.
Anders ist der Fall gelagert, wenn zwischen den Beteiligten, bei aller Unterschiedlichkeit, eine gegenseitige Sympathie und Respekt vorhanden sind.